Neulich auf der Autobahn:
nach einer Woche Lernurlaub am Meer mit meiner WG, ich: mal wieder ungewöhnlich entspannt und zufrieden, endlich mal wieder ein paar Pflichten abgearbeitet zu haben, ohne Terminstress und teils auch selbstgemachte Überforderung; dementsprechend fröhlich pfeifend am Steuer sitzend, froh über das neue günstige Shirt aus der Herrenabteilung, das endlich mal meinen Schultern gerecht wird, den linken Ellenbogen lässig-entspannt am Fenster abgestützt, linke Hand am Steuer – ‚das hast du dir doch von deinem Vater abgeguckt‘, denke ich zufrieden. Kopf nickt rhythmisch zur Road-Trip-CD, die meine Beifahrerin gerade eingelegt hat und zu der meine zweite Mitbewohnerin von der Rückbank mitsingt – hätte eigentlich nur noch meine große Pilot_innen-Sonnenbrille gefehlt und ich sähe aus wie 90er-Tom-Cruise in seiner „Top Gun“-Schmonzette. Allerdings hat’s geregnet.
Ich mag Auto fahren, wenn ich mal die Gelegenheit bekomme. Da ist man auch nicht so direkt im (Blick-)Kontakt mit anderen Menschen, die man nicht so gern länger angucken möchte, die einer_m unangenehm sind, wie zum Beispiel beim zu-Fuß-Gehen durch die Stadt. Deshalb, habe ich festgestellt, fahre ich als weiblich sozialisierte (weiße Studentin) auch so viel Fahrrad in Göttingen und gehe kaum zu Fuß. Naja, mit Auto-Karosserien verbinde ich auf jeden Fall noch mehr Sicherheitsgefühl, neben dem ganzen ‚jugendlichen Unabhängigkeitskram‘. Was ich bis zu dem Tag bei 130 auf der Autobahn allerdings noch nie erlebt hatte: ein Kleinwagen voll mit Baseballkappen-Typen, die, ihren wippenden Köpfen nach zu urteilen, ebenso gute Musik im Auto hörten wie wir, heizt an uns vorbei und mindestens der Beifahrer grinst und winkt uns wie verrückt geworden zu, während er auf seinem Sitz auf und ab wippt. Einige Speed-Hin-und-Hers weiter im dichter werdenen Verkehr überholt uns der gleiche Wagen schon wieder, Mr. Beifahrer hat sich die vergangenen 10km offenbar ziemlich viel Mühe gegeben, auf einen hellbrauen Briefumschlag etwas zu schreiben, das ich erst aus den Augenwinkeln versuche zu ignorieren, dann aber doch lese: „Na, alles klar? Schaust extrem guat aus, Mädele“. Ich lache und brülle mit sämtlichen unkorrekten Schimpfwörtern gleichzeitig um mich, während meine rechte Hand – die linke ist immer noch am Steuer – gefühlte 5 Minuten den Mittelfinger nach vorne ausfährt. Yes.
Was tun gegen stumpfe sexistische Belästigung auf der Autobahn? Nicht aus der Ruhe bringen lassen, dachte ich hauptsächlich. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir aber im ersten Moment doch gewünscht, jetzt die antisexistische Taste irgendwo neben dem CD-On-Knopf drücken zu können, die fiese Spikes aus den Rädern ausfahren lässt. Meine Beifahrerin meinte später zu Hause: ‚Hey, wir hätten auch was schreiben können: sowas wie und dann gemütlich weiterfahren undso!‘. Das nächste Mal hab ich Papier und Stift dabei. Und Spikes und meine Allwetter-Sonnenbrille…
Auf Hollaback lohnt es sich übrigens vorbeizuschauen – hier können Momente aus verschiedenen herrschaftlichen Alltagen und vor allem auch Handlungsstrategien gegen Übergriffe geteilt werden!