Pressemitteilung, zu den Femiziden in Göttingen, 18.09.20
Am 26.09.2020 jähren sich die Morde an zwei Frauen in Göttingen. Vor
einem Jahr ermordete an diesem Tag ein Mann seine Ex-Freundin und ihre Arbeitskollegin, die ihr zur Hilfe eilte, auf offener Straße. Wir bekunden den Angehörigen unser tiefes Beileid.
Es handelt sich bei diesen Morden nicht um Einzelfälle, weshalb wir siepolitisch als das einordnen möchten, was sie sind: als Femizide. Der Begriff Femizid beschreibt Tötungsdelikte an Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts begangen wurden: Wenn Frauen ermordet werden, weil sie Frauen sind. Femizide sind die Zuspitzung der Gewalt, von der Frauen im Patriarchat bedroht sind. Patriarchale Gewalt richtet sich nicht nur
gegen Frauen, auch nicht binäre Personen und trans Männer sind davon betroffen. Beispielsweise dann wenn sie fälschlicherweise als weiblich gelesen werden. Darin zeigt sich die tiefe Ablehnung alles Weiblichen.
Die mediale Berichterstattung trägt mit Überschriften wie „Motiv unerwiderte Liebe?“ (1) (2) zu dem Problem bei. Nicht die unerwiderte Liebe, sondern die männliche Dominanz und Besitzansprüche in unserer Gesellschaft führen zu Gewalt gegenüber Frauen, nicht binären Personen und trans Männern. Es ist wichtig, das Problem Frauenhass in aller Klarheit zu benennen. Laut Zahlen des Bundeskriminalamts aus dem Jahr 2017 versucht in Deutschland täglich ein Mann seine (Ex-) Partnerin zu
töten, jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet.
2017 wurden über 113.000 Frauen Opfer sogenannter partnerschaftlicher Gewalt. (3) Das Thema bleibt aktuell. Aylin Münz, eine der Organisator_innen der für Ende September angesetzten Kundgebung, sagt
dazu: „In der derzeitigen Corona-Situation spitzt sich die Lage zu. Vom BKA wurden für 2019 135 durch vom (Ex-)Partner getötete Frauen gezählt. Bis Ende April 2020 waren es bereits 65. Das muss ein Ende haben!“ Dass das Problem in Deutschland ausgeblendet wird, wird unter anderem dadurch deutlich, dass der Begriff und das Problem Femizid nur als „ausländisches Phänomen“ Beachtung findet. (4)
Leider werden auch heute Morde an Frauen nur politisiert, wenn sie rassistisch instrumentalisiert werden können. Wir fordern die Presse, die Politik und die Gesellschaft dazu auf, Femizide konsequent zu benennen, auch wenn sie von weißen, deutschen Männern begangen werden.
Wir rufen dazu auf, mit uns auf die Straße zu gehen. Am 26.09. möchten wir aber Raum für Trauer lassen. Einen Tag vorher, am Freitag, den 25.09., wollen wir ein politisches Zeichen gegen Gewalt an Frauen und gegen Femizide setzen.
Am Freitag, 25.09. um 16 Uhr treffen wir uns zur Kundgebung am Gänseliesel und fordern gemeinsam:
– Ein Ende der Gewalt an Frauen! In Göttingen und überall!
– Die Thematisierung struktureller Gewalt an Frauen und Anerkennung von Femiziden als gesellschaftliches Problem auch in Deutschland!
– Stärkung aller Hilfsangebote für von Gewalt betroffene Frauen! (Frauenhäuser, Frauen-Notruf etc.)
– Massive Förderung von unabhängigen feministischen Projekten zur Sensibilisierung und Gewaltprävention!
– Konsequentes Vorgehen gegen Frauenfeindlichkeit, auf politischer, ökonomischer, kultureller und individueller Ebene!
– #KeineMehr – #NiUnaMenos – #NonUnaDiMeno!
Basisdemokratische Linke Göttingen
Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung Göttingen
Feministische Frauengruppe Göttingen
[femko]
Frauen-Notruf Göttingen
Fridays For Future Göttingen
Rabatz & Anarchismus
Redical M
Schöner Leben Göttingen
Kontakt: kundgebunggegenfemizide-25-09@riseup.net
(1)
https://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Motiv-unerwiderte-Liebe-Die-grausame-Tat-des-Goettinger-Frauenmoerders
(2)
https://www.saechsische.de/mutmasslicher-moerder-in-goettingen-gefasst-5123750.html
(3)
https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Partnerschaftsgewalt/Partnerschaftsgewalt_2017.html?nn=63476
(4) https://europa.eu/rapid/press-release